Kognitive Dissonanz

Was ist Kognitive Dissonanz?
Kognitive Dissonanz beschreibt das unangenehme Gefühl, das entsteht, wenn Gedanken, Überzeugungen oder Werte einer Person im Widerspruch zueinanderstehen oder nicht mit ihrem Handeln übereinstimmen. Diese innere Spannung motiviert Menschen, die Dissonanz zu reduzieren und einen Einklang zwischen Überzeugungen, Werten und Verhalten herzustellen.
In der systemischen Beratung, die den Menschen immer in seinem sozialen Kontext betrachtet, ist das Konzept der kognitiven Dissonanz besonders relevant. Es hilft dabei, Konflikte oder Probleme zu verstehen, die aus widersprüchlichen Erwartungen, Glaubenssätzen oder Beziehungsdynamiken entstehen. Ein Berater unterstützt Klienten dabei, diese Widersprüche zu erkennen, zu reflektieren und individuelle sowie systemische Lösungswege zu entwickeln.
Kognitive Dissonanz im Alltag: Beispiele aus der Beratung
Ein Beispiel:
Eine Klientin lebt in einer Familie mit traditionellen Rollenvorstellungen, wünscht sich aber berufliche Selbstverwirklichung. Die familiären Erwartungen stehen im Widerspruch zu ihrem Bedürfnis nach Unabhängigkeit, was innere Unruhe erzeugt. In der Beratung wird untersucht, wie familiäre Kommunikationsmuster und Glaubenssätze diese Dissonanz fördern und welche Wege möglich sind, um mehr Freiheit zu gewinnen, ohne die Beziehung zur Familie zu belasten.
Ein weiteres Beispiel:
Ein Klient arbeitet in einem hierarchisch geprägten Unternehmen, möchte aber kreativ und selbstständig arbeiten. Der Berater könnte hier helfen, die inneren und äußeren Konflikte zu beleuchten und alternative Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln, wie etwa den Wechsel der Perspektive (Reframing) oder die aktive Gestaltung von Freiräumen innerhalb der bestehenden Struktur.
Lösungsansätze in der Systemischen Beratung
Die systemische Beratung zielt darauf ab, Klienten dabei zu unterstützen, neue Denk- und Handlungsmuster zu entwickeln, die die Dissonanz verringern. Hierbei kommen Techniken wie:
- Reframing: Eine neue Sichtweise auf das Problem entwickeln.
- Zirkuläres Fragen: Unterschiedliche Perspektiven aufzeigen, etwa wie andere Beteiligte die Situation sehen könnten.
- Skalieren von Problemen: Große Konflikte in kleinere, handhabbare Teile zerlegen.
Der Fokus liegt darauf, den Klienten in einem dialogischen Prozess zu begleiten und Lösungen zu finden, die sowohl individuelle Bedürfnisse als auch systemische Rahmenbedingungen berücksichtigen.
„Es gibt keine größere Dissonanz, als die zwischen dem, was wir tun, und dem, was wir glauben.“
Leon Festinger
Ursprung der Theorie: Leon Festinger
Die Theorie der kognitiven Dissonanz wurde 1957 vom renommierten Sozialpsychologen Leon Festinger entwickelt. Seine Forschung brachte bahnbrechende Erkenntnisse darüber, wie Menschen mit inneren Widersprüchen umgehen. Festinger zeigte, dass Menschen dazu neigen, ihre Überzeugungen oder ihr Verhalten zu ändern, um Dissonanzen zu verringern.
Ein berühmtes Experiment, das seine Theorie untermauerte, ist die sogenannte „20-Dollar-Lüge“-Studie. Teilnehmer führten eine extrem langweilige Aufgabe durch und wurden anschließend gebeten, einem anderen Teilnehmer die Aufgabe als interessant zu beschreiben. Einige erhielten 20 Dollar für diese Lüge, andere nur 1 Dollar. Interessanterweise empfanden diejenigen, die nur 1 Dollar erhielten, später die Aufgabe tatsächlich als interessanter – sie passten ihre Überzeugung an, um den inneren Widerspruch zwischen ihrer Handlung (Lüge) und ihrem Selbstbild (ehrlich sein) zu verringern. Dieses Experiment zeigt eindrucksvoll, wie stark kognitive Dissonanz das menschliche Verhalten beeinflusst.
Relevanz für die Systemische Beratung
In der systemischen Beratung, die den Menschen immer in seinem sozialen Kontext betrachtet, ist das Konzept der kognitiven Dissonanz besonders wertvoll. Es hilft dabei, Konflikte oder Probleme zu verstehen, die aus widersprüchlichen Erwartungen, Glaubenssätzen oder Beziehungsdynamiken entstehen. Ein Berater unterstützt Klienten dabei, diese Widersprüche zu erkennen, zu reflektieren und individuelle sowie systemische Lösungswege zu entwickeln.